-
Urteil vom 29. April 2008
VIII R 28/07
1. War der Steuerpflichtige nicht im Besitz einer
Kapitalertragsteuerbescheinigung nach § 45a Abs. 2 EStG, so
konnte eine Anrechnung der --eventuell-- einbehaltenen und abgeführten
Kapitalertragsteuer auch bereits nach der im Streitjahr 1993 geltenden Fassung
des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht stattfinden.
2. Ist dem Steuerpflichtigen bewusst, dass er
ohne Kapitalertragsteuerbescheinigung eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer
nicht herbeiführen kann, und gibt er deshalb Kapitaleinkünfte in
seiner Steuererklärung in dem Bewusstsein nicht an, bei
wahrheitsgemäßer Erklärung die Kapitalerträge wegen der
fehlenden Anrechnungsmöglichkeit gewissermaßen ein "zweites Mal"
versteuern zu müssen, so kann in diesem Verhalten eine Steuerhinterziehung
zu erblicken sein.
3. Erfasst die gerügte Gehörsverletzung
nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens, sondern bezieht sich lediglich auf
einzelne Feststellungen, so liegt kein Fall des § 119 Nr. 3 FGO
vor, so dass die Entscheidung über diese Verfahrensrüge
gemäß § 126 Abs. 6 FGO keiner Begründung
bedarf.
-
Beschluss vom 11. Mai 2007 V S
6/07
1.
Die Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
(Entzug des gesetzlichen Richters) durch Nichteinholung einer Vorabentscheidung
des EuGH ist im Rahmen einer Anhörungsrüge nach § 133a FGO
nicht statthaft.
2.
Eine Gerichtsentscheidung, in der ein letztinstanzliches Gericht eine
mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt hat, verstößt nur dann
gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn das Gericht den ihm in
solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer
Weise überschritten hat.
-
Beschluss vom 28. Juli 2004
IX B 27/04
Wer
im Klageverfahren beigeladen war, ist Beteiligter des nachfolgenden Verfahrens
wegen Nichtzulassung der Revision, auch wenn er selbst keine
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat (Fortentwicklung des BFH-Beschlusses vom
24. April 1992 IV B 115/91, BFH/NV 1993,
369).
-
Beschluss vom 4. Juni 2003 VII
B 138/01
1.
Die AO 1977 enthält keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht
im steuerlichen Verwaltungsverfahren besteht. Der Steuerpflichtige hat jedoch
ein Recht darauf, dass die Finanzbehörde über seinen Antrag auf
Gewährung von Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen
entscheidet. Diese Rechtsfragen sind
geklärt.
2. Der
fehlende Anspruch auf Akteneinsicht im außergerichtlichen
Besteuerungsverfahren und eine insoweit der Finanzverwaltung eingeräumte
Ermessensausübung verstoßen nicht gegen verfassungsrechtliche
Grundsätze.
3.
Ein Anspruch auf Akteneinsicht im steuerlichen Ermittlungsverfahren lässt
sich auch nicht aus der Richtlinie 95/46/EG herleiten, die ihre Umsetzung in
innerstaatliches Recht durch das BDSG und entsprechende landesrechtliche
Datenschutzgesetze erfahren hat, weil sowohl die Richtlinie 95/46/EG als auch
die nationalen Datenschutzgesetze den Vorrang einschränkender
bereichsspezifischer Regelungen in Steuerangelegenheiten anerkennen. Die AO 1977
enthält eine in diesem Sinne abschließende Regelung für den
Umgang mit den im Besteuerungsverfahren gespeicherten
Daten.
-
Urteil vom 27. September 2001
V R 17/99
1.
Eine Körperschaft verfolgt dann keine gemeinnützigen Zwecke, wenn sie
Tätigkeiten nachgeht, die gegen die Rechtsordnung verstoßen. Dies
kann eine der Körperschaft als tatsächliche Geschäftsführung
zurechenbare Lohnsteuerverkürzung sein. Die Zurechenbarkeit eines
eigenmächtigen Handelns einer für die Körperschaft tätigen
Person ist bereits bei grober Vernachlässigung der dem Vertretungsorgan
obliegenden Überwachungspflichten zu bejahen; insoweit kommt auch ein
Organisationsverschulden in Betracht (Fortführung des BFH-Urteils vom
31. Juli 1963 I 319/60, HFR 1963,
407).
2. Eine
Verletzung des Rechts auf Gehör liegt regelmäßig vor, wenn die
Entscheidung auf einen Gesichtspunkt gestützt wird, zu dem sich der
Verfahrensbeteiligte nicht äußern konnte
(Überraschungsentscheidung).
-
Beschluss vom 30. Juli 2001
VII B 78/01
1.
Die Abkürzung der Ladungsfrist als solche stellt keinen Verfahrensmangel
dar, auf den eine Nichtzulassungsbescherde mit Aussicht auf Erfolg gestützt
werden könnte. Führt die Abkürzung der Ladungsfrist jedoch dazu,
dass der Beteiligte an dem festgesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung
nicht teilnehmen kann, weil er erst nach Durchführung der mündlichen
Verhandlung davon Kenntnis erhält, kann er mit der auf die Rüge der
Verletzung seines Rechts auf Gehör gestützten
Nichtzulassungsbeschwerde die Aufhebung des ergangenen Urteils und die
Anberaumung einer neuen mündlichen Verhandlung
erreichen.
2. Zu den
Anforderungen an die Schlüssigkeit dieser Gehörsrüge
(1.).