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Urteil vom 19. April 2007
V R 48/04
1. Wird nach erfolglosem
Untätigkeitseinspruch eine Untätigkeitsklage erhoben und ergeht
daraufhin ein Steuerbescheid, der dem Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder
teilweise nicht entspricht, kann die Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage
fortgeführt werden.
2. Ein Unternehmer, der alle Maßnahmen
getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können,
um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug --sei es eine
Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug-- einbezogen sind, kann
auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu
laufen, sein Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren.
3. Der Umstand, dass eine Lieferung an einen
Steuerpflichtigen vorgenommen wird, der weder wusste noch wissen konnte, dass
der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen
war, steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen.
4. Ob ein Steuerpflichtiger wissen konnte oder
hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz
beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, ist im
Wesentlichen tatsächliche Würdigung, die dem FG obliegt. Nach den
maßgebenden Beweisregeln trägt der den Vorsteuerabzug begehrende
Unternehmer die Feststellungslast für die Erfüllung der
Anspruchsvoraussetzungen. Das gilt grundsätzlich auch für das Wissen
oder Wissenkönnen vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten.
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Urteil vom 18. April 2007
XI R 47/05
Gegen
einen im Einspruchsverfahren erlassenen Änderungsbescheid, mit dem dem
Antrag des Steuerpflichtigen voll entsprochen wird (Vollabhilfebescheid), ist
der Einspruch statthaft.
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Beschluss vom 7. März
2007 I R 98/05
Haben
ausländische Künstler Einkünfte aus Auftritten im Inland erzielt,
so ist die hierdurch ausgelöste Einkommensteuer nicht gemäß
§ 50 Abs. 7 EStG zu erlassen, wenn die Auftritte im Rahmen eines
solistisch besetzten Ensembles erzielt worden sind. Als "solistisch besetztes
Ensemble" in diesem Sinne ist eine Formation jedenfalls dann anzusehen, wenn bei
den einzelnen Veranstaltungen nicht mehr als fünf Mitglieder auftreten und
die ihnen abverlangte künstlerische Gestaltungshöhe mit derjenigen
eines Solisten vergleichbar ist.
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Urteil vom 20. Dezember 2006
X R 38/05
1.
Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ist auch für
Veranlagungszeiträume nach Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses zu kürzen, wenn in wirtschaftlichem
Zusammenhang mit der früheren Beschäftigung stehender Arbeitslohn
nachträglich an den Steuerpflichtigen ausgezahlt wird und der
Steuerpflichtige durch arbeitgeberfinanzierte Zukunftssicherungsleistungen oder
Altersversorgungsansprüche begünstigt worden
war.
2. Der
Einspruchsführer kann eine bereits abgegebene, der Finanzbehörde aber
noch nicht zugegangene Erklärung über die Rücknahme des
Einspruchs durch Abgabe einer gegenläufigen Erklärung widerrufen, wenn
der Widerruf der Behörde spätestens zeitgleich mit der
Rücknahmeerklärung
zugeht.
3. Der
Finanzbehörde gehen die an ihre Postfachanschrift übersandten
Schriftstücke zu, sobald sie von dem abholenden Bediensteten aus dem
Postfach entnommen werden.
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Urteil vom 25. April 2006
VIII R 52/04
1.
Bei einseitiger entgeltlicher Kapitalerhöhung, die zu einer Änderung
der Beteiligungsverhältnisse führt, kann entsprechend § 24
UmwStG 1977 der für die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmenden
Gesellschafter anfallende Gewinn aus der --anteiligen-- Veräußerung
ihrer Mitunternehmeranteile durch eine negative Ergänzungsbilanz
neutralisiert
werden.
2. Die aus
der korrespondierend zur positiven Ergänzungsbilanz des einbringenden
Mitunternehmers spiegelbildlich fortlaufend jährlich vorzunehmende
Auflösung der negativen Ergänzungsbilanz der Altgesellschafter ist als
laufender Gewinn bei der Ermittlung des Gewerbeertrages zu
erfassen.
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Urteil vom 27. Mai 2004
IV R 48/02
1.
§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO, wonach zur Vertretung berufene
Geschäftsführer Klage gegen einen Bescheid über die einheitliche
und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erheben können, ist
dahin zu verstehen, dass die Personengesellschaft als Prozessstandschafterin
für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre(n)
Geschäftsführer Klage gegen den Feststellungsbescheid erheben
kann.
2. Ein zum
Einspruchsverfahren der Gesellschaft fehlerhaft nicht hinzugezogener
Gesellschafter kann sich hinsichtlich des Vorverfahrens i.S. des § 44
Abs. 1 FGO auf das Einspruchsverfahren der Gesellschaft berufen. Die anders
lautenden Entscheidungen des BFH vom 10. Juni 1997 IV B 124/96
(BFH/NV 1998, 14) und vom 30. März 1999 VIII R 16/99 (BFH/NV
1999, 1469) sind
überholt.
3.
Umgekehrt kann sich die fehlerhaft zum Einspruchsverfahren des Gesellschafters
nicht hinzugezogene Gesellschaft hinsichtlich des Vorverfahrens auf das
Einspruchsverfahren des nach § 352 AO 1977 einspruchsbefugten
Gesellschafters
berufen.
4. Wird ein
Feststellungsbescheid gemäß § 183 Abs. 2 AO 1977 allen
Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben, ist jeder Bekanntgabeempfänger
einspruchsbefugt. Die Einspruchsbefugnis der Gesellschaft nach § 352
Abs. 1 AO 1977 bleibt davon
unberührt.
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Urteil vom 19. Mai 2004
III R 18/02
1.
Das Veranlagungswahlrecht darf zwar bis zur Unanfechtbarkeit der
Einkommensteuerfestsetzung auch während eines Einspruchs- und
Klageverfahrens abweichend ausgeübt werden. Wegen der Verschiedenartigkeit
der Veranlagungsarten hat das FA jedoch stets ein eigenständiges
Veranlagungsverfahren
durchzuführen.
2.
Wird eine Klage auf Anfechtung eines Zusammenveranlagungsbescheids geändert
in eine Klage auf Verpflichtung des FA zur Durchführung einer getrennten
Veranlagung, ist die Klageänderung nur zulässig, wenn neben den
Voraussetzungen des § 67 FGO die Sachentscheidungsvoraussetzungen
für das Verpflichtungsbegehren erfüllt sind. Dazu gehört
insbesondere, dass die Verwaltung zuvor die beantragte Veranlagung durch
Bescheid abgelehnt hat oder der Kläger bei Untätigkeit der
Behörde einen sog. Untätigkeitseinspruch eingelegt
hat.
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Beschluss vom
30. Dezember 2003 IV B 21/01
In
dem Rechtsstreit darüber, ob Aufwendungen der Gesellschaft als
Betriebsausgaben anzuerkennen sind, ist, solange das
Gesellschaftsverhältnis besteht, der einzelne Gesellschafter auch dann
nicht klagebefugt, wenn die Aufwendungen nach Auffassung des FA allein diesem
Gesellschafter zugute gekommen sind. Die Klagebefugnis steht vielmehr
ausschließlich den zur Vertretung befugten Geschäftsführern in
Prozessstandschaft für die Gesellschaft zu.
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Urteil vom 27. September 2001
X R 134/98
Die
Einziehung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann auch
dann persönlich unbillig sein, wenn zwar deren Durchsetzung wegen des
Vollstreckungsschutzes ausgeschlossen ist, die Steuerrückstände den
Steuerpflichtigen aber hindern, eine neue Erwerbstätigkeit zu beginnen und
sich so eine eigene, von Sozialhilfeleistungen unabhängige wirtschaftliche
Existenz aufzubauen.
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Urteil vom 29. März 2001 III
R 1/99
Für
die erstmalige Festsetzung der Investitionszulage besteht eine Anlaufhemmung
weder nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 noch nach § 170
Abs. 3 AO 1977. Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 3 AO 1977
greift indes für die Aufhebung oder Änderung von unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung durchgeführten Festsetzungen der Investitionszulage
mit der Folge ein, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164
Abs. 4 Satz 1 AO 1977 nicht vor dem Ablauf der durch § 170
Abs. 3 AO 1977 verlängerten Änderungsfrist
wegfällt.