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Urteil vom 18. Dezember 2008 VI R 49/06
1. Aus dem Spielbanktronc finanzierte Zahlungen
an die Arbeitnehmer der Spielbank sind keine steuerfreien Trinkgelder i.S. des
§ 3 Nr. 51 EStG.
2. Der Begriff des Trinkgelds, der auch
§ 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, setzt grundsätzlich ein
Mindestmaß an persönlicher Beziehung zwischen Trinkgeldgeber und
Trinkgeldnehmer voraus.
3. Wenn der Arbeitgeber selbst Gelder
tatsächlich und von Rechts wegen an- und einnehmen, verwalten und
buchungstechnisch erfassen muss, sind dies keine dem Arbeitnehmer von Dritten
gegebenen Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG.
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Beschluss vom 14. Juli 2008
VIII B 176/07
Die Entscheidung ist nachträglich zur
Veröffentlichung bestimmt worden.
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei
einer wiederholten Änderung der Steuerfestsetzung die Festsetzungsfrist
für den gesamten Anspruch des
Steuergläubigers auf Nachzahlungszinsen nicht abläuft, solange noch
eine, wenn auch nur punktuell wirkende Änderung der Steuerfestsetzung
zulässig ist. Teile des Zinsanspruchs unterliegen daher keiner gesonderten
Teilverjährung.
2. Eine Zurückverweisung an das FG ist auch
im Beschwerdeverfahren betreffend die AdV zulässig.
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Urteil vom 11. Oktober 2007
IV R 52/04
Für die von einem Kraftfahrzeug-Händler
übernommene Verpflichtung, an Leasinggesellschaften oder Autovermietungen
verkaufte Fahrzeuge nach Ablauf der Leasingzeit bzw. nach einer
Mindestvertragslaufzeit zu einem verbindlich festgelegten Preis
zurückzukaufen, ist eine Verbindlichkeit in Höhe des dafür
vereinnahmten Entgelts auszuweisen. Diese Verbindlichkeit ist erst bei
Ausübung oder Verfall der Rückverkaufsoption auszubuchen.
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Urteil vom 7. August 2007
VII R 12/06
Eine Prozessvollmacht ermächtigt dazu, mit
einem Kostenerstattungsanspruch des Vollmachtgebers gegen die Forderung
aufzurechnen, zu deren Abwehr die Vollmacht erteilt worden war; Entsprechendes
gilt für die Entgegennahme einer Aufrechnungserklärung des
Kostenschuldners.
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Beschluss vom 1. Februar 2007
VI B 118/04
1.
Eine Beweisaufnahme zu einem streitigen Vorbringen darf nicht abgelehnt werden,
wenn der dem Beweisantrag zugrundeliegende Tatsachenvortrag konkret genug ist,
um die Erheblichkeit des Vorbringens beurteilen zu
können.
2. Ein
Beweisantrag des Inhalts, ein Arbeitnehmer habe den "Mittelpunkt seiner
Lebensinteressen" i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG
an einem bestimmten Ort innegehabt, ist hinreichend substantiiert und bestimmt.
Eine Pflicht, die den Begriff des Lebensmittelpunkts prägenden
Einzeltatsachen zusätzlich zu benennen und unter Beweis zu stellen, besteht
regelmäßig
nicht.
3.
Begründet ein FG im angefochtenen Urteil, weshalb es von der Erhebung eines
beantragten Beweises abgesehen hat, so genügt für eine
ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der
Sachaufklärungspflicht regelmäßig der Vortrag, das FG sei dem
Beweisantritt nicht gefolgt.
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Beschluss vom
26. September 2006 X S 4/06
Wird
der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
des Steuerschuldners unterbrochene Rechtsstreit über die
Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids vom Insolvenzverwalter
aufgenommen, so bestimmt sich der Wert des Streitgegenstands für das
weitere Verfahren ab Aufnahme des Rechtsstreits nach dem Betrag, der bei der
Verteilung der Insolvenzmasse für die noch unerfüllte Steuerforderung
zu erwarten ist.
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Urteil vom 24. August
2006 V R 16/05
1.
Schließt ein Unternehmer mit einem anderen Unternehmer einen Kaufvertrag
über den Bezug von Werbegeschenken, ist der Unternehmer auch dann Abnehmer
(Leistungsempfänger), wenn der andere die Werbegeschenke
vereinbarungsgemäß nicht unmittelbar an den Unternehmer, sondern an
den Inhaber eines "Warenzertifikats" (Warengutscheins) als Beauftragten des
Unternehmers übergibt und hierauf auf dem Gutschein ausdrücklich
hingewiesen wurde. Eine derartige Gestaltung ist nicht
rechtsmissbräuchlich.
2.
Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Lieferungen, auf die eine Anzahlung
geleistet wurde, setzt voraus, dass die Gegenstände der Lieferung zum
Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind.
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Beschluss vom 20. Oktober
2005 VII B 207/05
1.
Die Aufbewahrung und Verwaltung von Gerichtsakten nach Abschluss eines
Verfahrens ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Spruchkörpers, der mit
ihm befasst war, sondern der Gerichtsverwaltung. Dementsprechend muss ggf. die
Gerichtsverwaltung eine Entscheidung darüber treffen, ob einem Beteiligten
nach rechtskräftigem Abschluss eines Verfahrens Akteneinsicht gewährt
werden soll.
2. Das
Akteneinsichtsrecht nach § 78 FGO dient allein der Prozessführung
und erlischt, sobald das betreffende Verfahren endgültig abgeschlossen
ist.
3. Eine
Beschwerde gegen die Entscheidung des Vorsitzenden, Einsicht in die Akte eines
abgeschlossenen Verfahrens zu verweigern, ist jedenfalls dann nicht
unzulässig, sondern unbegründet, wenn einziger Streitpunkt ist, ob
wegen des rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens das Recht auf
Akteneinsicht nach § 78 Abs. 1 FGO erloschen
ist.
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Beschluss vom
20. Dezember 2004 VI S 7/03
Ein
Verweisungsbeschluss, der unter Verstoß gegen den Grundsatz der sog.
perpetuatio fori (Grundsatz der fortdauernden Zuständigkeit des einmal
angerufenen Gerichts) ergeht, kann wegen offensichtlicher Fehlerhaftigkeit
unwirksam sein.
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Beschluss vom 26. Februar
2004 VII B 341/03
1.
Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener
Gerichtszweige, die jeweils rechtskräftig entschieden haben, dass der zu
ihnen beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, kann § 39
Abs. 1 Nr. 4 FGO entsprechend angewendet werden, wenn ein FG beteiligt
ist und der BFH als oberstes Bundesgericht zuerst angerufen wird. Der BFH
bestimmt hiernach das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs,
sofern dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der
Rechtssicherheit notwendig
ist.
2. Ein
Verweisungsbeschluss nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG entfaltet
Bindungswirkung hinsichtlich des Rechtswegs, wenn er nicht offensichtlich
unhaltbar ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich die Verweisung bei Auslegung
und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren,
willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des
gesetzlichen Richters entfernt und damit unter Berücksichtigung
rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich erscheint. In
einem solchen Fall muss die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses hinter
dem Rechtsgedanken des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
zurücktreten.
3.
Betrifft die Streitigkeit ausschließlich Fragen, die sich gerade im
Zusammenhang oder anlässlich der Einstellung eines Steuerstrafverfahrens
stellen, handelt es sich um eine Angelegenheit des Steuerstrafverfahrens,
für die die Zuständigkeit der FG nach § 33 Abs. 3 FGO
ausgeschlossen ist.
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Urteil vom 7. August 2002
I R 99/00
1.
Bei einer Ausgliederung durch Neugründung gemäß § 123
Abs. 3 Nr. 2 UmwG 1995 ist der übernehmende
Rechtsträger nicht Gesamtrechtsnachfolger des übertragenden
Rechtsträgers. Dieser bleibt deshalb Steuerschuldner. Er bleibt auch
Beteiligter eines anhängigen Aktivprozesses (Anschluss an BGH-Urteil vom
6. Dezember 2000 XII ZR 219/98, NJW 2001,
1217).
2. Im
Verfahren über eine Anfechtungsklage ist eine subjektive Klageänderung
nicht sachdienlich, wenn der angefochtene Verwaltungsakt weder gegen den in den
Prozess eintretenden Beteiligten ergangen ist noch gegen diesen wirkt
(Bestätigung des Senatsurteils vom 28. Oktober 1970
I R 72/68, BFHE 100, 353, BStBl II 1971,
26).
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Urteil vom 21. März 2002
VII R 7/01
Ist
eine Prozessvollmacht im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und
ihrem Prozessbevollmächtigten gekündigt worden, so kann der
Klägerin ein etwaiges nachfolgendes Verschulden ihres
Prozessbevollmächtigten nicht zugerechnet werden, auch wenn das
Erlöschen der Prozessvollmacht dem Gericht noch nicht mitgeteilt worden
ist.
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Urteil vom 17. Oktober 2001
I R 103/00
1.
Bei einem Körperschaftsteuerbescheid ist der zu besteuernde
Lebenssachverhalt das in dem betreffenden Jahr bezogene Einkommen, weshalb im
Einspruchsverfahren einzelne Teile des Einkommens dieses Jahres gegeneinander
ausgetauscht werden
können.
2. Ist
eine vGA dem Grunde nach anzunehmen, so ist der Gewinn um die Differenz zwischen
dem tatsächlich vereinbarten Preis und dem Preis zu erhöhen, den
voneinander unabhängige Vertragspartner unter vergleichbaren Umständen
vereinbart hätten
(Fremdvergleichspreis).
3.
Jede Schätzung des FA ist im Klageverfahren voll nachprüfbar. Das FG
kann seine Wahrscheinlichkeitsüberlegungen an die Stelle der des FA setzen,
ohne deshalb die Schätzung des FA als rechtsfehlerhaft einstufen zu
müssen.
4. Das
Akteneinsichtsrecht der Beteiligten erstreckt sich auch auf vom FG beigezogene
"fremde" Steuerakten (Abweichung vom BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984
VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226). Ein FG kann jedoch
von der Beiziehung solcher Akten absehen, wenn die Gefahr einer Verletzung von
§ 30 AO 1977 im Falle der Akteneinsichtnahme durch die Beteiligten
besteht.
5. Ein FG
darf die Verwertung der vom FA eingebrachten anonymisierten Daten über
Vergleichsbetriebe nicht schon im Grundsatz
ablehnen.
6. Bei der
Verletzung von Mitwirkungspflichten ist danach zu unterscheiden, ob sich die
Pflicht auf eine Tatbestandsvoraussetzung oder die Rechtsfolge eines
Besteuerungstatbestandes bezieht. Bezieht sie sich auf eine
Tatbestandsvoraussetzung, so löst die Pflichtverletzung eine Reduzierung
des Beweismaßes für die Ermittlung der einzelnen
Tatbestandsvoraussetzung aus. Bezieht sie sich auf eine Rechtsfolge, so
rechtfertigt sie regelmäßig die Schätzung der
Besteuerungsgrundlage.
7.
Verweigert eine inländische Tochtergesellschaft die Auskunft darüber,
wie die mit ihrer ausländischen Muttergesellschaft vereinbarten Preise
zustande gekommen sind, so kann aus der Pflichtverletzung nur gefolgert werden,
dass die vereinbarten Preise durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst
sind. Die vereinbarten Preise können dennoch angemessen sein. Für die
Ermittlung des angemessenen Fremdvergleichspreises trägt das FA die
objektive
Beweislast.
8. Nach
deutschem Steuerrecht bestehen außerhalb der
§§ 140 ff. AO 1977 und der §§ 238 ff.
HGB für vGA keine speziellen Aufzeichnungs- und
Dokumentationspflichten.
9.
Zur Anwendung der sog. Standardmethoden und ihrer Verprobung bei der Ermittlung
des Fremdvergleichspreises einer
Vertriebstochtergesellschaft.
10.
Die Ermittlung des Fremdvergleichspreises kann nicht auf die
Wiederverkaufspreismethode gestützt werden, wenn nur auf die Einkäufe
von drei unverbundenen Produzenten zurückgegriffen werden kann, die
entsprechenden Einkäufe sich nicht auf alle Streitjahre erstrecken und die
Einkünfte nur zu höchstens 5 v.H. des Gesamtumsatzes der
Vertriebsgesellschaft
führen.
11.
Ergibt sich auf der Basis der Preisvergleichs- oder der
Wiederverkaufspreismethode nur eine Bandbreite angemessener
Fremdvergleichspreise, so besteht für die Schätzung eines Mittelwertes
regelmäßig keine Rechtsgrundlage. Die Schätzung muss sich an dem
für den Steuerpflichtigen günstigsten Bandbreitenwert
orientieren.
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Beschluss vom 15. Juni 2001 VII B
11/00
1.
Der so genannte Anfangsverdacht einer Steuerstraftat ist bei der
Durchführung von Tafelgeschäften dann gerechtfertigt, wenn der
Bankkunde solche Geschäfte bei dem Kreditinstitut, bei dem er seine Konten
und/oder Depots führt, außerhalb dieser Konten und Depots durch
Bareinzahlungen und Barabhebungen
abwickelt.
2. Der
hiernach (1.) einer Steuerstraftat verdächtige Bankkunde bzw. sein Erbe
muss auch noch nach Eintritt eines Strafverfolgungshindernisses mit einem
Vorgehen der Steuerfahndung auf der Grundlage von § 208 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO 1977 zwecks Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen
rechnen, solange jedenfalls hinsichtlich des in Frage stehenden
Steuerentstehungstatbestands noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten
ist.
3. Besteht ein
Anfangsverdacht, steht das so genannte Bankengeheimnis der Auswertung des im
Rahmen einer richterlichen Beschlagnahmeanordnung gewonnenen Materials durch die
Steuerfahndung, auch in Form der Weitergabe dieses Materials im Wege von
Kontrollmitteilungen an die zuständigen Veranlagungsfinanzämter, nicht
im Wege.
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Beschluss vom 6. Februar 2001 VII
B 277/00
1.
Wendet sich eine Bank gegen die Weitergabe von Unterlagen und Belegen
(Beweismaterial) durch die Steuerfahndung an die Wohnsitz-FÄ
(Veranlagungsstellen) solcher Bankkunden, gegen die sich das
steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren, in dessen Rahmen dieses
Beweismaterial anlässlich einer Durchsuchung der Bank gewonnen wurde, nicht
richtete (nicht verfahrensbeteiligte Bankkunden), so handelt es sich um eine
Abgabenangelegenheit, für die der Finanzrechtsweg eröffnet
ist.
2. Geld- oder
Kapitalanlagen im Ausland, die von den Anlegern über ein deutsches
Kreditinstitut in banküblicher Weise abgewickelt werden, sind in Anbetracht
der Gewährleistung der Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen
den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern
(Art. 56 ff. EG) nicht geeignet, einen steuerstrafrechtlichen
Anfangsverdacht zu begründen.