Beschluss vom 29. November
2006 I R 45/05
1.
Der Senat hält auch für Art. 4 Abs. 1 DBA-Österreich
1954 daran fest, dass sich der Begriff der Einkünfte aus einem gewerblichen
Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift auf einen Nettobetrag bezieht und dass
Deutschland deshalb auch für Verluste, die ein in Deutschland
ansässiges Unternehmen in seiner in Österreich befindlichen
Betriebsstätte erwirtschaftet, kein Besteuerungsrecht hat (Anschluss an
Senatsbeschlüsse vom 28. Juni 2006 I R 84/04, BStBl II 2006,
861, und vom 22. August 2006 I R 116/04, BStBl II 2006, 864; vom
13. November 2002 I R 13/02, BFHE 201, 73, BStBl II 2003,
795).
2. Von der in
§ 2 Abs. 1 Satz 3 AIG und § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG
1990 bestimmten Nachversteuerung negativer ausländischer
Betriebsstätteneinkünfte, welche in einem vorangegangenen
Veranlagungszeitraum nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG, § 2a
Abs. 3 Satz 1 EStG 1990 bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der
Einkünfte abgezogen worden sind, kann nach Maßgabe von § 2
Abs. 1 Satz 4 AIG, § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 nur dann
abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass nach den für
ihn geltenden Vorschriften des ausländischen Staates ein Abzug von
Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr allgemein nicht beansprucht
werden kann. An einem derartigen "allgemeinen" Ausschluss des Verlustabzugs
fehlt es, wenn sich der Abzugsausschluss lediglich aus Gründen der
verwirklichten Gegebenheiten des Einzelfalles
verbietet.
3. Dem
EuGH werden die folgenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
a) Steht
Art. 31 des EWR-Abkommens der Regelung eines Mitgliedstaates
entgegen,
- nach
welcher ein in dem einen Mitgliedstaat ansässiger und dort
unbeschränkt Steuerpflichtiger zwar nach einem Doppelbesteuerungsabkommen
von der Einkommensteuer befreite Verluste aus in einer in einem anderen
Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte unter bestimmten Voraussetzungen bei
der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abziehen
kann,
- nach der der
abgezogene Betrag jedoch, soweit sich in einem der folgenden
Veranlagungszeiträume bei den nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zu
befreienden Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit aus in dem anderen
Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätten insgesamt ein positiver Betrag
ergibt, in dem betreffenden Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des
Gesamtbetrags der Einkünfte wieder hinzuzurechnen
ist,
- Letzteres
allerdings dann nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass nach den
für ihn geltenden Vorschriften des anderen Mitgliedstaates ein Abzug von
Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr "allgemein" nicht beansprucht
werden kann, woran es fehlt, wenn ein Verlustabzug in dem anderen Staat nach
dessen Recht zwar allgemein eingeräumt wird, jedoch in der konkreten
Situation, in der sich der Steuerpflichtige befindet,
unterbleibt?
b)
Bejahendenfalls: Wirkt es sich auf den Ansässigkeitsstaat aus, wenn die
Verlustabzugsbeschränkungen in dem anderen Mitgliedstaat (als dem
Quellenstaat) ihrerseits gegen Art. 31 des EWR-Abkommens verstoßen,
weil sie den dort mit seinen Betriebsstätteneinkünften nur
beschränkt Steuerpflichtigen gegenüber den dort unbeschränkt
Steuerpflichtigen
benachteiligen?
c)
Weiterhin bejahendenfalls: Muss der Ansässigkeitsstaat auf die
Nachversteuerung der ausländischen Betriebsstättenverluste verzichten,
soweit diese andernfalls in keinem Mitgliedstaat abgezogen werden können,
weil die Betriebsstätte im anderen Mitgliedstaat aufgegeben worden
ist?