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Urteil vom 19. März 2009
V R 48/07
1. Eine aufgrund unzutreffenden Steuerausweises
in einer Rechnung gemäß § 14 Abs. 2 UStG entstandene
nicht entrichtete Steuer ist gemäß § 233a AO zu verzinsen.
Die aufgrund des Steuerausweises entstandene Umsatzsteuerschuld besteht bis zur
--ohne Rückwirkung eintretenden-- Berichtigung des Steuerbetrags.
2. Eine rückwirkende Berichtigung
unzutreffend ausgewiesener Steuer widerspricht dem Regelungszweck des
§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1
UStG. Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung von derartigen
Umsatzsteuernachforderungen ist deshalb kein Anhaltspunkt ersichtlich.
3. Eine ermessenslenkende Billigkeitsregelung der
Verwaltung, wonach Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu
erlassen sind, wenn ein Unternehmer eine unrichtige Endrechnung, die eine
Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 UStG auslöst, in einem auf das
Kalenderjahr der ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kalenderjahr
nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich berichtigt hat, bindet die Gerichte
nicht.
4. Ein aus Art. 3 Abs. 1 GG
herzuleitender Anspruch gegenüber einer Behörde auf Fortführung
einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis besteht nicht.
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Urteil vom 30. Juli 2008
V R 7/03
1. Aus den im Steuerrecht allgemein geltenden
Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des
Vertrauensschutzes ergibt sich, dass die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung
nicht versagt werden darf, wenn der liefernde Unternehmer die Fälschung des
Ausfuhrnachweises, den der Abnehmer ihm vorlegt, auch bei Beachtung der Sorgfalt
eines ordentlichen Kaufmanns nicht hat erkennen können (Änderung der
Rechtsprechung; Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008
Rs. C-271/06, Netto Supermarkt GmbH & Co. KG, BFH/NV Beilage 2008,
199).
2. Ob die Voraussetzungen hierfür gegeben
sind, ist im Erlassverfahren zu prüfen.
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Urteil vom 29. März 2007
IX R 17/06
Das
Ermessen hinsichtlich des Erlasses von Säumniszuschlägen auf nicht
geleistete Einkommensteuervorauszahlungen ist nicht wegen Verfassungswidrigkeit
von § 37 Abs. 3 Satz 7 EStG auf Null
reduziert.
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Urteil vom 30. März 2006
V R 2/04
1.
Säumniszuschläge sind in der Regel zur Hälfte zu erlassen, wenn
ihre Funktion als Druckmittel ihren Sinn verliert (ständige
Rechtsprechung).
2.
Die gesetzgeberische Entscheidung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO
1977, dass Säumniszuschläge nicht akzessorisch zur Hauptschuld sind,
ist auch dann zu beachten, wenn die angefochtene Steuerfestsetzung nach
Konkurseröffnung ersatzlos aufgehoben wird, ohne dass der Steuerpflichtige
Aussetzung der Vollziehung beantragt hatte, obwohl ihm dies möglich gewesen
wäre.
3. Ein
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann auch nach Anordnung der Sequestration
zur Beseitigung von Wirkungen vollziehbarer Steuerfestsetzungen geboten sein,
die --wie das Anfallen von Säumniszuschlägen-- nicht in
Vollstreckungsmaßnahmen liegen.
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Beschluss vom 2. März
2006 V R 7/03
Dem
EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
Stehen
die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen über die Steuerbefreiung bei
Ausfuhren in ein Drittland einer Gewährung der Steuerbefreiung im
Billigkeitswege durch den Mitgliedstaat entgegen, wenn zwar die Voraussetzungen
der Befreiung nicht vorliegen, der Steuerpflichtige deren Fehlen, aber auch bei
Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen
konnte?
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Urteil vom 16. November
2005 X R 3/04
Ein
Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt bei
nachträglicher Zuordnung von Einkünften zu einem anderen
Veranlagungszeitraum nicht in Betracht.
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Urteil vom 13. Januar
2005 V R 35/03
1.
Eine bestandskräftige Steuerfestsetzung kann im Billigkeitsverfahren nach
§ 227 AO 1977 nur dann sachlich überprüft werden, wenn die
Steuerfestsetzung --beurteilt nach der Rechtslage bei der Festsetzung der
Steuer-- offensichtlich und eindeutig falsch ist und wenn dem Steuerpflichtigen
nicht zuzumuten war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu
wehren.
2. Der
Umstand allein, dass eine bestandskräftig festgesetzte Steuer in
Widerspruch zu einer später entwickelten Rechtsprechung steht, rechtfertigt
noch nicht den Erlass der
Steuer.
3. Das FG
darf Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf
überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich
ist.
4. Ein
qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht (Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG) liegt nicht
vor, wenn das FA die Umsätze einer Massagepraxis in der Rechtsform einer
GmbH in den Jahren 1989 bis 1991 als steuerpflichtig behandelt
hat.
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Urteil vom 11. Januar
2005 IX R 50/03
Muss
der Verfügungsberechtigte nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG
ihm ab dem 1. Juli 1994 zustehende Mietentgelte an den
Restitutionsberechtigten herausgeben, so kann er diese Ausgabe im Jahr ihres
Abflusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zwar
steuermindernd geltend machen; er kann aber nicht nach § 163 AO 1977
beanspruchen, dass ihm in den Jahren seiner Vermietungstätigkeit ab
1. Juli 1994 von vornherein keine Einkünfte zugerechnet
werden.
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Urteil vom 7. Juli 2004 II
R 3/02
1.
Der durch die Umwandlung einer PGH in eine e.G. bewirkte Übergang eines
Grundstücks ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG
steuerbar.
2. Die
Erhebung der Grunderwerbsteuer ist jedoch sachlich unbillig, soweit der
Umwandlungsbeschluss nach § 3 Abs. 3 PGH-VO nach dem 22.
September 1990 erfolgt ist.
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Urteil vom 23. Oktober
2003 V R 2/02
Ein
Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Gründen kommt nicht in
Betracht, wenn die Zinsforderung darauf beruht, dass der Steuerpflichtige
nachträglich --aber vor dem 31. Dezember 1995-- auf die Steuerfreiheit
eines Umsatzes verzichtet hat.
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Urteil vom 9. Juli 2003
V R 57/02
1.
Die Erhebung von Säumniszuschlägen ist sachlich unbillig, wenn dem
Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung
und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung
von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert. Das FA ist regelmäßig
nicht verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des
Steuerpflichtigen mehr als die Hälfte der verwirkten
Säumniszuschläge zu
erlassen.
2. Die
Frage, ob seit Eröffnung des Konkursverfahrens laufende
Säumniszuschläge gemäß § 63 Nr. 1 KO im
Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden dürfen, kann in einem vom
Konkursverwalter angestrengten Verfahren wegen Erlasses aus
Billigkeitsgründen nicht entschieden werden. Hierüber ist
gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 a.F. durch
Feststellungsbescheid zu
entscheiden.
3.
Für den Erlass der Säumniszuschläge zur Lohnsteuer gelten keine
Besonderheiten.
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Urteil vom 6. November 2002
V R 75/01
1.
Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO 1977
in der ab 1997 geltenden Fassung setzt voraus, dass sich zwischen der
festgesetzten Steuer und einer vorangegangenen Festsetzung ein
Unterschiedsbetrag ergibt. Freiwillige Zahlungen des Steuerpflichtigen auf die
Steuerschuld vor deren Festsetzung sind für die Zinsberechnung nach dem
Soll-Prinzip grundsätzlich
unbeachtlich.
2.
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Steuerpflichtige einen Umsatz
rechtsirrtümlich erst in dem auf die Entstehung der Steuerschuld folgenden
Jahr --also vor Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO
1977-- erklärt und versteuert.
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Beschluss vom 25. April 2002 V
B 73/01
1.
Eine bei unberechtigtem Steuerausweis in einer Rechnung gemäß
§ 14 Abs. 3 UStG entstandene Steuer ist nach § 227 AO
1977 (zwingend) wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, soweit der von dem
Rechnungsempfänger in Anspruch genommene Vorsteuerabzug
rückgängig gemacht und der entsprechende Betrag an den Fiskus
tatsächlich zurückgezahlt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom
8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194,
517).
2. Der
Gesichtspunkt der Erlassunwürdigkeit des Steuerpflichtigen spielt insoweit
keine Rolle. Er kann nur bei der Prüfung eines Erlasses aus
persönlichen Billigkeitsgründen Bedeutung
haben.
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Urteil vom 27. September 2001
X R 134/98
Die
Einziehung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann auch
dann persönlich unbillig sein, wenn zwar deren Durchsetzung wegen des
Vollstreckungsschutzes ausgeschlossen ist, die Steuerrückstände den
Steuerpflichtigen aber hindern, eine neue Erwerbstätigkeit zu beginnen und
sich so eine eigene, von Sozialhilfeleistungen unabhängige wirtschaftliche
Existenz aufzubauen.
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Urteil vom 17. Mai 2001
V R 77/99
1.
Hat der Steuerpflichtige eine Leistung, die er außerhalb seines
Unternehmens erbracht hat, als steuerpflichtigen Umsatz behandelt, indem er sie
dem Leistungsempfänger mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung
gestellt hat, und hat er die Steuer erklärungsgemäß an das FA
abgeführt, so verlangt der Grundsatz der Neutralität der
Mehrwertsteuer, dass die zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer
berichtigt wird, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger
rückgängig gemacht worden ist (Anschluss an EuGH-Urteil vom
19. September 2000 Rs. C-454/98, Schmeink & Cofreth und Manfred
Strobel, UR 2000,
470).
2. Die
Berichtigung der Steuer kann im Billigkeitsverfahren gemäß
§ 227 AO 1977 erfolgen.
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Urteil vom 8. März 2001 V R
61/97
1.
Hat ein Unternehmer Rechnungen mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer
ausgestellt und Dritten übergeben, obwohl er die darin bezeichneten
Leistungen nicht ausgeführt hat, und haben die Rechnungsempfänger die
ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuerbeträge abgezogen, so schuldet der
Aussteller die ausgewiesene Steuer nach § 14 Abs. 3 UStG, auch
wenn er seine angeblichen Leistungen umsatzversteuert
hat.
Da aber in diesem
Fall keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht, wenn der Vorsteuerabzug
bei den Rechnungsempfängern berichtigt wurde, verlangt der Grundsatz der
Neutralität der Mehrwertsteuer, dass die unberechtigt in Rechnung gestellte
Mehrwertsteuer unabhängig von einem guten Glauben des Rechnungsausstelleers
berichtigt werden kann (Anschluss an EuGH-Urteil vom 19. September 2000
Rs. C-454/98, Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel, UR 2000,
470).
2. Beantragt der
Unternehmer beim FA, ihm diese entrichtete Umsatzsteuer aus sachlichen
Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO 1977 zu erstatten,
kann sein Antrag nur Erfolg haben, soweit der den Rechnungsempfängern
gewährte Vorsteuerabzug rückabgewickelt worden
ist.
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Urteil vom 19. Dezember 2000 VII
R 63/99
Die
Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners für die Hälfte der vom
Steuerschuldner verwirkten Säumniszuschläge ist nicht deshalb
ermessenswidrig, weil der Steuerschuldner in dem betreffenden Zeitraum
zahlungsunfähig gewesen ist.